Interview mit Oliver Onions – Die Macher der Spencer/Hill-Musik
Denkst Du an die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill zurück, sollten Dir nicht nur die heftigen Prügeleien oder die flotten Sprüche in den Sinn kommen. Eine Kleinigkeit hat dafür gesorgt, dass jede Szene perfekt wurde: die Musik. Ohne die passende musikalische Untermalung wäre eine Schlägerei vielleicht nicht so spannend gewesen, wie sie es am Ende war. Für viele bekannte Musikstücke, die Du sicherlich auch laut mitträllern kannst, sind Oliver Onions verantwortlich. Bereits in den frühen Werken der beiden waren die Brüder Guido und Maurizio De Angelis ein fester Teil des Spencer/Hill-Universums. Ein Interview aus dem Jahr 2018 zeigt, welche Liebe Oliver Onions mit Spencer und Hill verbindet, wie die Zukunft aussieht und worauf sie besonders stolz sind. Das Interview wurde mit Guido de Angelis geführt.
Frage 1: Ihr spielt Euer erstes Konzert in Deutschland. Ist das richtig, seid Ihr aufgeregt?
Oliver Onions: Oh ja! Vor vielen Jahren haben wir die Bühne verlassen, sind nun aber sehr aufgeregt und voller Erwartungen. Den Großteil unserer Zeit haben wir damit verbracht, Soundtracks für verschiedene Filme zu schreiben. Danach fing ich an TV-Serien und Filmen zu produzieren. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, wendete ich mich an meinen Bruder Maurizio. Anschließend sagte ich nur: „Wir sollten wieder Live-Konzerte geben. Sowas wie eine Reunion.“ Wir standen zwar schon vor etwa zwei Jahren auf der Bühne in Budapest, doch das hatte einen besonderen Grund: Bud Spencer war verstorben und wir gaben das Konzert zu seinen Ehren.
Damals war die Reaktion so toll und zugleich sehr wichtig für uns. Das war auch der Grund, weshalb wir uns dazu entschieden haben, zurück zu den Menschen zu gehen, die uns lieben. Immerhin ist es nie zu spät. Jetzt steht unser erstes Konzert in Berlin in den Startlöchern. Wir wollen es aber nicht bei diesen einem Konzert belassen, sondern wir planen weitere Termine in Deutschland fürs nächste Jahr. Darunter Frankfurt, Stuttgart und München. Generell haben wir beschlossen, dass wir die nächsten Jahre weitere Live-Konzerte geben.
Frage 2: Ihr wart Gast beim alljährlichen Spencer/Hill-Fantreffen. Was war es für ein Erlebnis, vor so vielen Fans zu stehen? Immerhin konntet Ihr schnell sehen, wie beliebt die Filme und auch Eure Musik noch sind.
Es ist immer wieder beeindruckend und zugleich sind wir sehr stolz. Wir haben rund 80 bis 85 Prozent aller Spencer/Hill-Filme mit Musik versorgt. Währenddessen haben wir viel erlebt und lange Zeit an den Sets verbracht. Dabei haben wir natürlich auch Bud und Terence kennengelernt. Uns war es wichtig, dass wir immer mittendrin waren, in den Shootings, statt einfach nur nach Hause zu fahren und zu komponieren. Um passende Musik zu machen, muss man seine Sinne befreien und die Atmosphäre des Films direkt am Set einfangen. Nur so bekommt man ein Gefühl für die richtige Musik. Ganz nebenbei: Die Stimmung am Set war die gesamte Zeit sehr ausgelassen und glücklich. Ich sehe es immer wieder gern, wie die Fans mit einer unbeschreiblichen Fröhlichkeit Songs wie „Flying Through the Air“ oder „Bulldozer“ mitsingen.
Frage 3: Rückblickend, fernab von allen anderen Hits: Die Filmmusik zu Spencer und Hill hat Euch den Kultstatus eingebracht. Siehst Du das ähnlich?
Ja, aber das haben wir erst viele Jahre später realisiert. Doch nicht nur die Spencer/Hill-Liedern wurden zum Kult, sondern auch andere Songs von uns, wie „Santa Maria“ oder „Sandokan“. Ich möchte dazu aber gerne eine Begegnung berichten, die uns vor einigen Jahren passiert ist und ich denke, sie passt ganz gut zur Frage. Mein Bruder und ich sind zu einem Festival nach Italien gefahren, das in der Nähe von Florenz veranstaltet wurde. Wir wurden eingeladen, vor Ort ein Radiointerview zu führen. Also fuhren wir hin, standen dort kurz und kamen danach auf die Bühne. Es war gegen drei Uhr nachmittags und eigentlich waren wir nur wegen dem Interview vor Ort.
Am Anfang waren vielleicht zehn Menschen zu sehen. Nach rund 20 Minuten des Interviews waren es schon 1.000 Menschen. Jeder schrie, dass wir doch etwas singen sollten. Ich richtete mich an das Publikum und sagte: „Was sollen wir singen? Wir haben nicht einmal unsere Instrumente dabei. Sollen wir A-Cappella singen?“ Kurze Zeit später kam ein Mann zu uns und zeigte zu einem Stand. Dort würden unsere DVDs zu dem Konzert in Budapest verkauft werden, doch nun warten da jede Menge Leute, die gern ein Autogramm hätten.
Also haben wir nicht lang gezögert, sind rüber zum Stand und haben allerhand Autogramme gegeben und Selfies gemacht. Es waren mindestens 50 Leute jeder Altersklasse da und mein Bruder sagte zu mir: „Schau Dir das an, bei uns stehen vier Generationen!“ Einer von den Fans, ein junger Mann um die 20 herum, kam am Ende zu uns und war ganz aufgelöst und emotional. Wir konnten nicht anders, als ihn zu umarmen und danach sagte er etwas, was uns wirklich geschockt hat: „Seit meinem dritten Lebensjahr hat mein Vater immer Eure Musik gekauft und alles dazu gesammelt. Egal in welchem Alter, stets habe ich Eure Musik gemeinsam mit meinem Vater gehört. Wir sind auch ins Kino gegangen, haben uns die Filme mit Bud und Terence angeschaut, auch manchmal zehn- oder zwölfmal. Danach sind wir nach Hause gegangen und haben Eure Platten gehört. Diese Liebe hat mich und meinen Vater immer zusammengeschweißt. Leider ist er gestorben, er ist nicht mehr bei mir. Du und Dein Bruder sind die Einzigen, die mir noch geblieben sind. Bitte hört nicht auf!“
Nun konnten wir unsere Tränen nicht mehr zurückhalten, doch der junge Mann meinte dann: „Ich gehe nun nach Hause, höre Eure Platten und setze mich in den gleichen Stuhl, wo schon mein Vater gesessen hat. Ich schweife dann in meinen Gedanken ab und erinnere mich zurück an die Gespräche mit meinem Vater, und was er mir immer über Eure Musik und die Filme erzählt hat. Geh ich also nach Hause, danke ich Euch von ganzem Herzen für Eure Musik, fange die einmalige Stimmung ein und dann ist mein Vater irgendwie bei mir.“
Frage 4: Sicherlich war das einer der Punkte, weshalb Ihr über Euer Bühnen-Reunion nachgedacht habt, oder?
Ja. Ich saß mit meinem Bruder im Auto, als wir nach Rom zurückfuhren. Wir schauten uns gegenseitig an und er sagte zu mir: „All diese Jahre haben wir so viel getan, unsere Musik in die Welt hinausgesandt. Anschließend fahren wir nach Hause oder machen andere Jobs. Dadurch haben wir uns immer weiter von den Leuten entfernt, die uns lieben. Wir sollten zurück zu unseren Wurzeln. Zurück zu all den Fans, die es verdient haben!“
Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich entschieden, die Produzentenarbeit erst einmal auf Eis zu legen und mich ganz um unsere Live-Konzerte zu kümmern. Damit wir uns wieder vor unsere Fans stellen können, gemeinsam mit ihnen träumen, sie umarmen und Spaß haben, mit unserer Musik. Das hat uns viel Kraft gegeben. Es klingt vielleicht überraschend, doch genau das war es für uns. Jedenfalls sehe ich es so, dass wir zu lange mit unserem Comeback gewartet haben, doch jetzt sind wir ja zurück. Hoffentlich können wir diesen großen Spaß auch nach Berlin bringen!
Frage 5: Denken Fans an die Bud Spencer und Terence Hill Filme, haben diese eigentlich sofort Deine Musik im Kopf. Ist das nicht außerordentlich?
Wir haben immer gesagt: Unsere Musik wächst mit den Filmen. Als normaler Filmkomponist erhält man das Skript zum Film, hat einige Ideen und nebenbei wird der Film abgedreht. Sobald er fertig ist, beginnt das Editieren. Erst im letzten Akt wird der Komponist kontaktiert und dann im Schneideraum gefragt, welche Musik unter eine bestimmte Szene gelegt werden soll. Auf diese Weise haben wir nie gearbeitet. Für uns war das immer zu distanziert, kalt und emotionslos. Wir waren am Set vor Ort, haben die Gags live mitbekommen und die Atmosphäre förmlich aufgesaugt, damit wir am Ende den perfekten Sound für die Filme erschaffen konnten.
Frage 6: Hand aufs Herz: Gibt es ein persönliches Lieblingslied aus den Spencer/Hill-Filmen?
Natürlich könnte ich Dir nun einen Song nennen, doch im selben Moment würde es mir um die anderen Lieder leidtun. Daher kann ich einfach nicht wählen. Ob „Dune Buggy“, „Banana Joe“, „Bulldozer“, „Flying Through the Air” oder “Sheriff” – Es gibt keinen Song, den ich favorisiere. Wären die Songs Menschen, würden die uns ganz schön anmeckern, da wir sie vergessen. Unsere Lieder sind wie unsere Kinder und Du kannst kein Kind dem anderen vorziehen.
Frage 7: Einfach einmal in den Raum geworfen: Stört es Dich, dass Du eigentlich immer mit Spencer/Hill-Filmen in Verbindung gebracht wirst?
Oh nein, für uns ist das absolut in Ordnung. Der Grund ist denkbar einfach, denn wir waren gute Freunde von Bud Spencer und haben viel Zeit mit ihm verbracht. Auch heute sind wir noch eng mit Terence Hill befreundet. Wir telefonieren mindestens drei- bis viermal die Woche miteinander. Es tut uns wahnsinnig leid, dass Bud nicht mehr unter uns ist. Er war so ein lustiger und liebevoller Mensch und wir vermissen ihn sehr. Aber in unserem Herzen ist er immer noch da. Besonders, wenn ich an den Chorus von Bud denke, dieses berühmte „Lalalalalala lalalalalala Babababa baabaa“, sehe ich ihn förmlich vor mir, wie er damals am Set im Madrid stand und den Film drehte. Daher ist es kein Problem für uns, dass wir immer mit den Filmen verbunden werden. Immerhin sind wir ein Teil davon.
Frage 8: Woran liegt es, dass so viele Menschen Eure Musik lieben? Andere Filmsongs kommen schnell aus der Mode, doch Eure sind einfach zeitlos und immer noch beliebt. Selbst jetzt, rund 40 Jahre nach der ersten Veröffentlichung, sind es keine simplen Popsongs.
Das liegt daran, dass unsere Musik authentisch ist, was sie immer sein sollte. Im Bezug auf Filme ist Musik stets ein Teil davon. Sie darf nicht zu einer Nebensache verkommen. Schaust Du Dir die heutigen Filme an, bemerkst Du, dass meist keine großen Titelmelodien oder einprägsame Songs mehr geschrieben werden. Es geht fast nur um die Atmosphäre. Ich denke, viele Regisseure sind eifersüchtig auf die Musik. Sie wollen lediglich eine Sinneswahrnehmung. Dennoch machst Du die passende und schöne Musik dazu. Daraufhin sagt der Regisseur: „Klingt nett, aber vielleicht lassen wir das lieber weg. Lasst uns lieber erneut die Dialoge überprüfen!“ – und sowas in der Art. Es handelt sich dabei um sogenannte Konzeptionsmusik, doch wir mögen sie nicht sonderlich, auch wenn viele so arbeiten. Dennoch haben wir in der Filmbranche auch das Gegenteil kennengelernt, was uns sehr glücklich gemacht hat.
Ich kann mich noch ganz genau erinnern, vor einigen Jahren war ich auf den Internationalen Filmfestspielen in Venedig. Dort wurde ich Quentin Tarantino vorgestellt. Ein wunderbarer Regisseur, welcher noch ein Ohr für perfekte Filmmusik hat. Dazu eine lustige Anekdote: Ich wurde Quentin vorgestellt und er schüttelte meine Hand. Doch er hörte damit gar nicht mehr auf. Er schaute mir in die Augen und sagte, wie lustig er die Situation findet. Ich frage, was er damit meint. Daraufhin sagte er: „In Italien gibt es zwei große Filmkomponisten, die genau den gleichen Namen haben wie wir: De Angelis. Ich liebe sie einfach und habe schon einige ihrer Musik in meinen Filmen verwendet.“ Alle Umstehenden brachen in lautes Gelächter aus und Quentin fragte sich, ob er irgendwas falsch gemacht hatte. Jemand antwortete ihm: „Nein, gar nicht. Das Ding ist nur, dass einer der beiden Angelis-Brüder gerade vor Dir steht. Jetzt wird es Zeit, dass Du Deine Rechnung zahlst.“ Ich antworte darauf nur: „Ach Quatsch, wir sind bereits quitt, weil Du Dich für unsere Musik in Deinen Filmen entschieden hast.“
Frage 9: Eure Filmmusik ist etwas ganz Besonderes und verbreitet eine einmalige Fröhlichkeit. Jeder wippt, summt oder singt automatisch mit. Woran liegt das?
Dazu erzähl ich Dir etwas: Vor zwei Monaten hatten wir die Chance ein Interview mit Vincenzo Mollica zu führen, einer der größten Musikjournalisten überhaupt. Eine wahre Eminenz in Italien. Er führt nicht mit jedem Künstler ein Interview und wir trafen ihn zum ersten Mal. Beim Interview sagte er, dass er sehr froh sei, uns endlich kennenzulernen, nachdem er schon so viele Jahre unsere Musik hört . Er erzählte weiter, dass wir mit unserer Musik die Fröhlichkeit nach Italien und in die italienische Musik bringen würden. Etwas, was in dieser Form nicht mehr existierte.
Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: Die Fröhlichkeit liegt daran, dass mein Bruder und ich es genießen, Musik zu machen. Wir sind wahre Vollblutmusiker und bringen diesen Genuss an der Musik später zu Papier und auf eine CD. Schon immer ist die Musik die Essenz unseres Lebens, und Du weißt ja: Wenn Du etwas liebst, bist Du einfach glücklich. Genau diese Heiterkeit bemerkst Du in unserer Musik.
Frage 10: Haben Dir Bud oder Terence einmal verraten, welche ihre Lieblingslieder sind?
Nein, leider nicht. Sie sagten, dass sie all unsere Musik lieben. Dazu kam, dass Bud ein wirklich guter Sänger war. Noch kurz vor seinem Tod rief uns sein Sohn Guiseppe Pedersoli an und sagte: „Hey Guido, Papa würde gern ein Album mit Euch aufnehmen, oder wenigstens einen Song.“ Der Anruf kam genau drei Tage, bevor Bud Spencer von uns ging. Natürlich rief Guiseppe uns erneut an uns teilte uns mit, dass Bud verstorben war. Es war ein schlimmer Moment für uns und eine harte Zeit. Dennoch sollten wir immer positiv denken, fröhlich und glücklich sein und uns auf Berlin freuen. Immerhin ist das genau das, was Bud Spencer immer gesagt hat.
Frage 11: Zum Abschluss: Möchtest Du noch einige Worte an Deine Fans aus Deutschland richten?
Aber gerne! An unsere deutschen Fans: Es ist höchste Zeit, dass wir zu Euch zurückkommen. Ihr habt meinem Bruder und mir sowie unsere Musik von Oliver Onions über die Jahre so viel Liebe geschenkt. Diese von Generation zu Generation weitergegeben. Nun ist es Zeit, dass wir Euch diese Liebe zurückgeben. Wir wollen Euch umarmen, euch alle in Deutschland. Ciao!